n„Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie bitte…“, wie es weitergeht, wissen alle. Aber wen fragen wir nach Nebenwirkungen von Lockdown, Notverordnungen und einschränkenden Massnahmen?
Werden die erfasst und ausgewertet? Wird ein Medikament auf den Markt gebracht, wird es erst zugelassen, wenn die Nebenwirkungen ein gewisses Mass nicht überschreiten. Wie sieht es mit politischen Entscheidungen aus? Oft muss ein Medikament in der Dosierung besser abgestimmt werden. So dosieren wir bei Kindern anders als bei Schwangeren oder Erwachsenen. Mit den einschränkenden Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie kommt es mir so vor als ob mit der grossen Giesskanne der Entscheidungen über die Bevölkerung gegossen wird. Geht dies nicht ein bisschen differenzierter? Die Entscheidungsträger der Massnahmen der 1. Welle haben meinen grossen Respekt. Sie hatten keine Blaupause und es gab kein Handbuch, wie zu handeln ist. Wir haben finanzielle Hilfen bekommen und Viele sind mit einem blauen Auge davon gekommen. Wir haben aber auch die Nebenwirkungen eines Lockdowns erkennen können. Die Zahl der Psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Burn Out Syndromen und Stresssymptome ist massiv angestiegen. Die Menschen haben zunehmend Rücken- und Nackenschmerzen sowie Probleme mit den Gelenken, geschuldet dem immer noch andauerndem Homeoffice und Homeschooling. Jugendliche ziehen sich in soziale Netze und digitale Medien zurück, vereinsamen und fördern keineswegs damit ihre Sozialkompetenz. Die Schulen können keinen sicheren und stabilen Ort für Kinder bieten, so dass die Kleinen das Lernen nicht als positiv empfinden, was sich nachhaltig auf ihre grundsätzliche Haltung zu Lernen und Schule auswirkt, Lernstörungen fördert und emotionale Kompetenzen negativ beeinflusst. Dies sind Nebenwirkungen, die Mitten ins Herz unserer Gesellschaft und damit ihre Stützen treffen. Sind dies doch die Entscheidungsträger der nächsten Generation, zahlende Arbeitnehmer, die Renten und Sozialbeiträge sichern sollen. Die langfristigen Folgen sind nicht zu beziffern und zu erfassen. Geboren in den 70er in Berlin und mit Werten wie Autonomie, Selbstwert und sozialer Gerechtigkeit aufgewachsen, habe ich eine gewisse Hypersensibilität gegenüber Hierarchien zum Selbstzweck und autoritären Anordnungen entwickelt. Diese Tatsache lässt mich deshalb aufhorchen, wenn ich Aussagen wie die von Herrn Engelberger im Zusammenhang mit den einschränkenden Massnahem höre:“... wenn das so weitergeht….“ Was ist denn so? Und wer macht denn so? Geht das differenzierter? Hat irgendjemand den Sommer genutzt um Schutzkonzepte im Einzelnen anzuschauen? Es gibt Restaurants, die ein tolles Konzept haben und man sich absolut sicher fühlt. Und es gibt und gab die ganze Zeit schon die Hotspots und Restaurants, die sich durchmogeln und bei denen alle Behörden weggeschaut haben. Wie viel Ansteckungsgefahr besteht in einem Fitnesscenter? Die meisten Center haben Trainingszirkel mit überschaubaren Kundenzahlen und absoluter Hygiene. Natürlich gibt es auch die, die mit Masse und Preisdumping ohnehin ein fragwürdiges Geschäftsmodell pflegen. Wieviel Ansteckungen gab es in den Centern und wieviel im Profisport? So können wir in der Kunst- und Kulturszene weitermachen und da auch im Einzelnen differenzierter hinschauen. Im Stress haben die Menschen keine Kapazität für Details und für die korrekte Sprache. So besteht wohl leider derzeit in der Politik keine Kapazität in dieser Stresssituation für detaillierte Entscheidungen und Wahl einer moderaten Umgangsweise. Wahrscheinlich ist diesem Umstand auch der in seinem “Ton“ etwas vergriffene Brief geschuldet, den wir von unserem Verband bekommen haben. Mit zwei Ausrufezeichen versehen und der Aufforderung, das Training zu unterlassen, löste dieser Brief wieder einmal meinen Autoritäts-Abwehr-Reflex aus. Was soll ich denn unterlassen, etwas was ich gar nicht vorhatte zu tun? Nach all der Anstrengung in den letzten Monaten werden wir nun angeklagt, etwas zu unterlassen. Ich schätze den Verfasser des Briefes sehr und weiss, dass dies nicht seine Art ist und er unglaubliche viel geleistet hat in den letzten Monaten. Der Stress, der diese Zeit verursacht hat, lässt sich wohl auch in diesem Skript ablesen. Es sei ihm mehr als verziehen. Wir werden natürlich die Massnahmen akzeptieren und alles dafür tun, dass unsere Familien gesund bleiben und wir diese Pandemie in den Griff bekommen. Wünschen würde ich mir, dass Entscheidungsträger entlastet werden. Zerrt sie nicht dauernd vor die Kamera, lasst das Kommunikationsspezialisten machen, unterstützt ihre mentale Gesundheit und stellt Personal ein, die differenziert jeden Betrieb auf das Schutzkonzept prüfen und vor Ort Vorgaben umsetzen und entscheiden! Das gibt langfristig Sicherheit und dosiert die Massnahmen. Das Giesskannenprinzip hat noch nie funktioniert. Bleiben Sie gesund! Judith Höferlin
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AutorJUDITH HÖFERLIN Archiv
August 2021
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